Augusta wird fit gemacht (Rückblick)

 

Als wir Anfang Mai 2023 in Helsingör ankamen lag Augusta bereits einen Tag im Wasser. Wir sahen sie zum ersten Mal schwimmen, stolz in ihrem Element. Festgemacht im Hafen, zwischen vielen anderen Segelbooten.


Müde von der Reise, aber glücklich luden wir unsere 80kg Gepäck an Bord. Bevor wir schlafen gingen warfen wir noch schnell einen Blick in die Bilge, der tiefste Punkt eines Segelbootes. Alles trocken, kein Wasser. Juhuu, Augustas Unterwasserschiff ist dicht. Wie gut wir diese erste Nacht an Bord geschlafen haben.

Die kommenden Tage verbrachten wir damit das Schiff vom Bug bis zum Heck zu erkunden, eine Bestandsaufnahme aller Sachen an Bord zu machen und eine Liste der anstehenden Arbeiten. Motorwartung, Überprüfung des Riggs, der Beschläge, Sichtung der Segel, Zustand der Elektrik, Solarpanele und Geräte an Bord, Wassertank und Leitungen reinigen, Gassystem, Sicherheitsequipment überprüfen und warten lassen und vieles mehr. Augusta war stets gepflegt worden und hatte keine schlechte Grundausstattung, was das Leben an Bord betrifft, inklusive einer komplett ausgestatteten Küche, Decken, Kissen, einer Stereoanlage mit CD-Wechsler und einer neuen Kuchenbude. Anfangs interessierte uns diese eher wenig, aber je länger wir auf Augusta leben sollten desto mehr sollten wir sie schätzen lernen.

Besonders angetan hatte es mir der aufklappbare Kartentisch. Navigation würde meine Aufgabe sein. Neben einer Vielzahl alter, nicht mehr aktueller aber dennoch schöner Seekarten, fand ich dort ein Hand-Anemometer zur Messung der Windgeschwindigkeiten, Navigationsbesteck zur Routenplanung, ein Fernglas, Papier und Bleistifte. Gedanklich machte ich mich schon auf den Weg. In der Realität lag noch viel Arbeit vor uns.
Die Elektrik an Bord war zwar alt, aber alles funktionierte, vom Licht über Kartenplotter und Funkgerät bis hin zur elektrischen Toilettenspülung. Wir beschlossen, uns darüber zu freuen und nichts anzufassen solange es funktionierte. Eine Baustelle weniger. Yeah.


Etwas mehr Arbeit sollte uns das Frischwassersystem im Schiff bereiten. Wir befüllten den Wassertank um ihn durchzuspülen, war er doch lange Zeit nicht benutzt worden. Im Bug, an Deck befindet sich der Einfüllstutzen, der Wassertank selbst liegt fest installiert im Vorschiff unter der Koje. Der Wassertank war dicht. Puh, das fühlte sich gut an. Als er halbvoll war, probierten wir die Wasserhähne in Küche und Nasszelle (Bad). Wasser marsch, juhuu, sie funktionierten, aber oh weh, sie ließen sich nicht komplett schließen und tropften. Zum Glück hatten wir Dichtungsmaterial an Bord. Provisorisch ging das erst einmal. Doch plötzlich hatten wir Wasser in der Bilge und nicht wenig Wasser. Welch ein Schreck. „Wo kam es her?“ Aber erst einmal „Finger rein, ran an Nase und Mund, vorsichtig lecken…kein Salz…was für ein Glück“, wir verloren also Süßwasser. Das Problem war schnell gefunden, die Wasserschläuche leckten an verschiedenen Stellen und das Wasser sammelte sich bereits am tiefsten Punkt. Es waren die Verbindungen der Schläuche, sie hatten sich geweitet, die Schlauchschellen rosteten vor sich hin. Wir sollten die kommenden Tage noch viel Zeit mit diesem Thema verbringen.

Der erste Regen zeigte uns dann noch weitere undichte Stellen an Bord. Wasser lief in feinen Strömen an der Innenseite zweier Fenstern herunter und in der Nasszelle von der Decke. Wirklich aufgeregt hat uns das nicht, obwohl es natürlich nervig ist und eine weitere Baustelle bedeutet. Aber jedes Segelboot hat undichte Stellen. Das ist normal, die natürliche Abnutzung von Material auf einem Boot. Hauptsache, dass Wasser dringt nicht von unten ein.

Wir machten uns also auf die Suche nach dem Ursprung. Augusta hatte eine alte Petroleumheizung an Bord, die aber so sehr in die Jahre gekommen und verrostet war, dass ein bloßes Anschauen uns das Gefühl gab sie würde sofort auseinander fallen. Bereits beim Kauf entschieden wir die Heizung einfach entfernen zu lassen. „Ach, wozu eine Heizung“, dachten wir damals, wollten wir doch mit Augusta in den Süden und in die Wärme. Nu ja, wir sollten eines Besseren belehrt werden…Winter in Nord-Spanien können unangenehm kalt und vor allem sehr feucht werden. Aber das ist ein anderes Kapitel.
Zurück zur ausgebauten Petroleumheizung. Das einzige, das noch an sie erinnerte war der Kaminabzug nach außenbords, ein Rohr nach oben durch zum Deck. „Ha“, die erste Undichtigkeit war gefunden. Zugegeben, das Loch war groß genug um es nicht zu übersehen, aber trotzdem mussten wir erst einmal darauf kommen. Weiterer Regen war angekündigt, eine schnelle Lösung musste her. Während ich noch rätselte, wie wir das wohl am besten machen, sah ich Alex bereits mit der Abdichtungsmasse Sikaflex in der einen und einem kleinen schwarzen flachen Gegenstand in der anderen Hand an mir vorbei laufen.
„Du musst heute deine Kapern aufessen“, warf sie mir zu. „Hä?, ok, ja, kein Problem, lecker, aber was hat das mit dem Kaminrohr zu tun, dass wir irgendwie abdichten müssen“, dachte ich. Sie muss mein Fragezeichen im Gesicht gesehen haben. Prompt kam die Erklärung: „Der Deckel des Kapernglases passt perfekt auf das Kaminrohr. Wir müssen ihn nur noch eindichten.“ Haha, das ist Alex und ihr großartiges Improvisationstalent. Der Deckel sitzt so perfekt, dass wir ihn bis heute nicht durch etwas Anderes ersetzt haben. Nachdem wir auch die beiden Fenster abgedichtet hatten, war erst einmal Ruhe vor eindringendem Wasser von oben.

Nach einer Woche harter Arbeit hatten wir viel erledigt. Dennoch war die ToDo-Liste weiterhin ellenlang. Wir versuchten so viel wie möglich selbst zu machen. Ohne Alex Erfahrungen, Wissen, technischem Verständnis und Improvisationstalent hätten wir das niemals allein und in dieser kurzen Zeit so weit bringen können. Ich hätte es nicht gekonnt, entwickelte mich aber m. E. zu einer guten Assistentin, besorgte Material, recherchierte und informierte mich und traf Absprachen mit der Marina. Für die Motorwartung und die Überprüfung des Riggs brauchten wir auf jeden Fall professionelle Hilfe.

Der Motor war, da er regelmäßig gewartet wurde, für sein Alter in gutem Zustand. Das beruhigte uns. Erfahrungen mit einer Einbaumaschine hatten wir nämlich bis dato noch keine. Unsere vorherigen Boote hatten entweder einen Außenborder oder gar keinen Motor. Mit klopfendem Herzen wagten wir uns das erste mal aus dem Hafen und drehten eine kleine Runde. War das aufregend. Noch aufregender war die Rückkehr, das erste Anlegemanöver mit einem Langkieler. Auch das hatten wir bisher noch nie gemacht. Ich war unglaublich nervös. Glücklicherweise gab es an diesem Tag fast keinen Wind und wir bekamen Unterstützung von der Marina.

In das Rigg wiederum mussten wir etwas Zeit und Geld investieren. Auf den ersten Blick sah alles gut aus. Wanten, Stage und Terminals an Deck waren in gutem Zustand. Anders im oberen Teil. Hier zeigten sich zwei Probleme. Ein Haarriss an der Saling, der früher oder später zu einem Bruch führen hätte können, und eine angebrochene Oberwante. Wir hatten den Rigger, im Bootsmannstuhl sitzend, unter ordentlichem Einsatz unserer Muskelkraft langsam den Mast hoch gezogen damit er alles überprüfen konnte. Augusta ist ein altes und, im Vergleich zu vielen Langfahrtsegelbooten, kleines Segelboot, hat weder Maststufen zum Hochklettern noch elektrische Winschen zur Kraftersparnis. Immerhin, so lernten wir, was auf uns zukommt, sollte einmal eine von uns in den Mast klettern müssen.
Um die Reparaturen durchführen zu können musste der Mast gelegt werden. Wir nutzten den Moment um auch das laufenden Gut (alle Seile zur Bedienung der Segel) zu erneuern. Das Material war stark beansprucht.

Mit funktionierendem Motor und geprüftem und repariertem Rigg stand unserem Abreisetermin eigentlich nichts mehr im Weg. Fertig mit allen Arbeiten waren wir natürlich noch nicht. Wirklich fertig wird man mit einem Boot sowieso nie. Es gibt immer etwas zu tun, etwas zu reparieren, auszuwechseln, zu erneuern, zu verbessern…
Wir hatten einen weiteren Stopp für Refit in Rostock geplant. Dort wollten wir u.a. auch den Aries-Windpiloten installieren, den wir uns gebraucht gekauft hatten. Nach Helsingör hatten wir ihn nicht transportieren können.

Augustas Heimathafen war nun Berlin. Von Helsingör war nichts mehr zu sehen. Mit einem Fön hatten wir die alten Buchstaben auf dem Rumpf erwärmt und mit großer Leichtigkeit abziehen können. Die neuen Buchstaben waren relativ schnell aufgebracht. Augusta strahlte und wir waren stolz auf unsere Arbeit.
Etwas wehmütig, aber dennoch voller Vorfreude, trafen wir die letzten Vorbereitungen und verabschiedeten uns. Am nächsten Morgen wollten wir aufbrechen und bis nach Kopenhagen segeln.

 

Fortsetzung folgt… Alex und Jana