Leben auf der Augusta

 

Im Januar 2024 haben wir Augusta eine Zeit allein in Cangas zurück gelassen und sind mit dem Flugzeug nach Kolumbien gereist. Am Anfang unserer Segelreise wollten wir noch im Spätherbst/Winter 2023 mit Augusta über den Atlantik segeln, in die Karibik, sogar bis nach Kolumbien. Ganz aufgegeben haben wir dieses Vorhaben nicht. Nur unter Zeitdruck und um jeden Preis wollten wir es nicht machen. Auf dem Weg ist uns klar geworden, dass wir Zeit brauchen und uns Zeit nehmen wollen. Bis über die Biskaya sind wir immer mit der Zeit im Rücken unterwegs gewesen. Wir konnten das Gesehene, das Erlebte gar nicht so richtig verarbeiten. Das machen wir jetzt, im Nachhinein. Mir hilft dabei das Schreiben. Ich durchlebe die Momente noch einmal, natürlich mit Abstand, etwas differenzierter, aber dennoch aufregend und mit Lust auf mehr und Meer.

Für uns war damals alles neu. Das Langfahrtsegeln, das Blauwassersegeln und die verschiedenen Segelreviere von der Ostsee über die Nordsee und den Englischen Kanal bis zum Atlantik. Als Süßwasserseglerinnen sind wir gestartet. Nur Augusta hatte bereits Salzwasser-Erfahrung. Auf der Reise haben wir und Augusta uns kennen gelernt und sind zusammen gewachsen. Wir können uns auf sie verlassen. Sie ist nicht nur ein wunderbares Segelboot, sondern auch zu unserem Zuhause geworden.

 

„Wie lebt es sich auf einem Segelboot?“, werden wir immer wieder gefragt. „Fantastisch“, antworte ich nur zu gerne. Meistens ist das auch so. Wir genießen die Freiheit, die Unabhängigkeit, die Möglichkeit mit unserem eigenen Zuhause unterwegs zu sein, einen Ort zum Bleiben zu auswählen und wenn wir weiter wollen, reisen wir weiter. All das natürlich, wenn’s geht, bei Sonne, moderatem Wind…bei schönem Segelwetter. Hahaha, das ist der Idealfall.
Wenn ich an das letzte Jahr zurückdenke, hatten wir diesen Idealfall aber nur in wenigen Momenten. Oft mussten wir für längere Zeit in Häfen festmachen, obwohl wir weiter wollten oder wir mussten sofort weiter um das gute Wetterfenster auszunutzen, obwohl wir gerne noch geblieben wären. Das Wetter markierte unsere Reise. Natürlich wussten wir, dass Segeln wetterabhängig ist, aber wie stark der Einfluss ist, haben wir erst unterwegs hautnah erlebt. Bei viel Wind, Sturm, hoher Welle, schlechter Sicht, kann ich einen sicheren Hafen nicht verlassen, auch wenn ich noch so gerne weiter will.
Man fängt an, Wetter noch einmal anders wahrzunehmen, man erlebt es intensiver und viel bewusster, vielleicht auch weil man sich tagtäglich damit beschäftigt. Prognosen, Wetterkarten, der Blick in den Himmel, im Gespräch mit anderen Seglern, Hafenmitarbeiterinnen. Es ist schon faszinierend welchen Raum dieses Thema einnimmt. Auch deshalb schreibe ich in jedem Kapitel etwas über das Wetter, das wir erleben und was es für uns und die Reise mit Augusta bedeutet.

Ja, auch festgemacht im Hafen von Cangas beschäftigte und beschäftigt uns das Wetter weiterhin. Wir haben hier in Galizien überwintert. Stürme und viel Regen erlebt. Das macht das Leben auf einem Segelboot auch anstrengend und hat uns auch an unsere Grenzen geführt. Zweimal sind wir im Winter für ein paar Tage an Land gezogen. Einmal um einem heftigen Sturm zu entgehen und einmal um eine langwierige, harte Erkältung zu kurieren. Die Feuchtigkeit an Bord hat uns sehr zu schaffen gemacht. Wir versuchten dagegen anzuheizen, mit einem kleinem Heizlüfter, aber ohne wirklichen Erfolg. In den Wintermonaten blieb es feucht und klamm. Buchseiten wellen sich, Stoffe werden nicht mehr richtig trocken und im schlimmsten Fall fangen sie an zu schimmeln.

 

Dennoch, es lebt sich fantastisch auf Augusta. Klein, aber fein, sage ich immer. Augusta ist 9,36m ist sie lang und in der Mitte, an der breitesten Stelle, 2,87m breit. Das klingt erst einmal gar nicht so wenig und wenn ich daran denke wie groß mir das Schiff erschien als ich es zum ersten Mal gesehen habe. Ich war überwältigt. Gut, damals stand Augusta an Land und wirkte durch ihren langen Kiel und mit ihrem Tiefgang von 1,40m viel größer. Heute kommt sie mir kleiner vor. Ein schwimmendes Tiny-House, aber mit allem an Bord, was wir zum Leben brauchen. Eine Koje für zwei Personen im Vorschiff, ein kleine Toilette, ein Salon mit einem Tisch, der zu weiteren Schlafgelegenheiten umgewandelt werden kann, einer kleine Küche mit einem Gasherd, einer Spüle und einem Kühlfach und jede Menge Stauraum in Schapps, unter den Kojen, in der Bilge und in zwei Backskisten in der Plicht. Und wir haben eine Kuchenbude aus wasserabweisendem Stoff mit großen Plastikfenstern, die angepasst an das Schiff über die gesamte Plicht aufgebaut wird. Eine wunderbare Erfindung, die uns einen Extra-Raum und Schutz vor Wind und Wetter beschert. Die Voreignerin von Augusta pries uns beim Verkaufsgespräch die neue Kuchenbude an wie heiße Semmeln. Damals konnten wir das überhaupt nicht versehen. Als erprobte Binnenseglerinnen dachten wir nur „wozu braucht man sowas, behindert doch nur beim Segeln“. Wie kurzsichtig wir damals waren. Schnell wurden wir eines Besseren belehrt. Heute schätzen und lieben wir diese Kuchenbude.

Im Salon kann ich mit meiner Größe von 1,70m ohne Probleme aufrecht stehen und gehen. Nur Richtung Bug, ab dem Übergang vom Salon zum Toilettenraum, muss ich aufpassen…denn ab dort wird es wird schlagartig niedriger. Da ist ein Türrahmen, den ich eigentlich inzwischen nur zu gut kennen sollte oder zumindest mein Kopf. Diese 5cm, die fehlen oder die ich zu groß bin…wie auch immer, der Türrahmen und ich, wir begrüßen uns in regelmäßigen Abständen: „Autsch“, sagen wir bestimmt beide. Alex kann das Ganze natürlich überhaupt nicht verstehen. Mit ihren 1,55m rauscht sie ohne Widerstände bis in die Bugkoje durch. Den ein oder andern blauen Fleck bekommt man beim Bootsleben immer. Es ist fast unvermeidbar, man stößt irgendwo an, weil wenig Platz ist oder, auch weil einem mal wieder das Wellengeschaukel einen Strich durch die Rechnung macht.

Wir haben immer die Balance gesucht zwischen einem Unterwegssein-Schiff und einem Wohn-Schiff. Hochseetauglich, für eine Crew von zwei Personen handhabbar und praktisch sollte es sein. Heute hat fast alles, was wir an Bord haben, einen mehr oder weniger festen Platz. Unbegrenzt Platz haben wir natürlich nicht und am Umräumen sind wir auch immer mal wieder. Man lernt zu verstauen, jeden noch so kleinen Raum auszunutzen. Das erinnerte mich an meine Kindheit. Wie so viele Familien in Ostdeutschland hatten auch wir einen Trabi. Viel Stauraum gab es dort nicht, aber mein Vater war ein regelrechtes Packgenie, er hat alles reinbekommen, was wir für die Urlaubsreise einer 5köpfigen Familie an Rucksäcken, Beuteln, Tüten usw. neben dem Auto abgestellt haben. Da hat mich geprägt.
Auf einem Schiff wiederum ist es jedoch noch wichtiger, auf die richtige Gewichtsverteilung zu achten, sonst bekommt das Schiff schnell Schlagseite. Auch wenn man es auf den ersten Blick nicht wahrnimmt, Augusta reagiert sofort in ihrem Fahrverhalten, wenn sie viel mehr Gewicht auf der einen als auf der andere Seite hat. Also, auch wenn es noch so verlockend scheint, weil der Platz dafür perfekt wäre…nicht alle schweren Werkzeuge auf Backbord ;-).

Und wie wissen wir man am Ende noch, wo wir was verstaut haben? Nach mehreren wilden Suchaktionen, die immer damit geendet haben, dass Augusta wie ein aufgeplatztes Sofakissen aussah, haben wir angefangen, Listen zu führen. Wunderbare Gedächtnis- und Suchhilfe. Das hat uns so glücklich und zufrieden gemacht, so als ob wir das Rad erfunden hätten. Natürlich nicht. Dieser Tipp steht auf gefühlt jeder Internetseite für Langfahrtsegeln. Wovor einen eine Liste aber nicht schützt ist die Tatsache, dass das, was man dann gerade braucht, schön verpackt, weiter hinten oder weiter unten in einem Schapp liegt, so dass man dennoch wieder und wieder am Aus- und Einräumen ist. Hahaha. So ist das Leben auf einem Segelboot.